...über die Zukunft

„Angesichts der Lage sollte man mit Blick auf die Erfindung der Minus-Zinsen im Finanzbereich vielleicht von einer Minus-Zukunft sprechen“.

„Zukunftsverlust ist immer ein Problem der Gegenwart.“

„Zukunft wird in der Gegenwart entschieden. Die enorme Skepsis der Zukunft gegenüber ist mehr eine Aussage über die Gegenwart als über die Zukunft. Deshalb ist die Wiedereinführung der Zukunft als Zentralkategorie politischen Denkens eine komplexe Aufgabe, die den sofortigen Beginn der Arbeit notwendig macht.“

...über Hamburg

„Die Jahre in der Handelskammer Hamburg mit ihrem neoliberalen Mief gaben uns wieder einmal treffliche Einblicke in die Strukturen aus Wirtschaft, Geld, Lobbyismus, Kumpanei und Politik - und bestätigten unsere Erfahrungen in der Stadt, in der wir beide seit langem arbeiten.“

„Wir haben uns oft gefragt, warum eigentlich immer noch so viele die Märchen von ehrbaren Kaufleuten, der deutschen Aufstiegsgesellschaft, dem freien Markt und der angeblichen sozialen Marktwirtschaft glauben, wenn doch alle Erfahrungen und Daten dem widersprechen.“

„Bei einem Mittagessen in einem schönen Restaurant antwortete ein reicher Manager auf die Frage, ob es den Menschen in Zukunft wohl besser gehen werde, breit grinsend: Unseren Kindern schon, den meisten nicht. Wir beide haben erlebt, wie es hinter den feinen Fassaden aussieht. Überhaupt nicht fein.“

„Anlässlich des Empfangs der dänischen Reederei Maersk traf sich die Hamburger Delegation im schnieken Saal eines luxuriösen Hotels unweit des Museums Louisiana mit prächtigem Blick auf die Ostsee. Einer der Hamburger Großreeder hatte mehrere Dosen Ölsardinen dabei. Das sei die beste Grundlage für den kommenden Alkohol am Abend. Dann öffnete er die Dosen und hielt den versammelten Bankern jeweils eine Sardine hin, die danach wie kleine Hündchen schnappten, ein geckenhaftes Lachen gab es dazu.“

„Die Geschichte der HSH ist eine Geschichte, die einen falschen Anfang und ein fehlerhaftes Ende hat. Eine Parabel auf Politiker im neoliberalen Rausch; auf Manager, die auf den dünnen Seilen von Korruption und Selbstüberschätzung tanzten wie auf einem Vulkan; und auf eine amerikanische Heuschrecke, die letztlich eine Bank von der Politik geschenkt bekam.“

„Hamburg eine kleine Stadt, mit großen Konten. Wenn man als Lehrerin in einer Schule in einem Brennpunkt-Gebiet unterrichtet oder als Amazon-Bote mit dem eigenen Fahrzeug durch die Straßen kurvt, kann man sich kaum vorstellen, wie unbeeindruckt die feinen Kreise der Stadt von all dem sind, was in der Gesellschaft vor sich geht. Die politischen Entwicklungen ‚da draußen‘ werden allenfalls als Bedrohung wahrgenommen, alles Zureden gegenüber der Politik gilt dem Fortbestand des Bestehenden. Man fühlt sich als Elite, und man ist es auch.“

...über unser Wirtschaftssystem

„Der Kapitalismus gehört auch deshalb zur Moderne, weil die Zukunft nicht nur in Börsenkursen Elementarbauteil seiner DNA ist. Ohne das rechnerische Konzept einer ökonomisch besseren Zukunft machen weder Kredite noch Investitionen Sinn.“ Aber: „Immer mehr geht es immer schlechter. Der Kapitalismus hatte mal ein anderes Zukunftsversprechen. Was aber machen wir ohne Zukunftsversprechen? Bleiben dann nur Resignation oder Zynismus?“

„Während die armen 50 Prozent der Familien in Deutschland zusammen etwa 214 Milliarden besitzen, also pro Familie etwas mehr als 5000 Euro, liegt der durchschnittliche Vermögenswert der reichsten 40.000 Familien bei ca. 60 Millionen.“

„Es ist diese unglaubliche Fähigkeit des Kapitalismus, aufgrund seiner eigenen existentiellen Zukunftszugewandtheit so gut wie jede oppositionelle Idee ins formidable System zu integrieren, zum Teil der eigenen Zukunft und vielleicht sogar zur Waren zu machen, daraus den Nutzen zu ziehen für die eigene Stärke in einer Zukunft, die wieder einmal nur mit dem Kapitalismus denkbar erscheint. Harte Zeiten für grundsätzliche Alternativen.“

„Was also geschah, damit von den utopischen Ideen der Achtundsechziger und dem Demokratisierungsversprechen Willy Brandts nur die marktkonforme Demokratie (so nannte es Angela Merkel) übrigblieb?“

„Helmut Schmidts Diffamierung der Visionen war in Wahrheit der Beginn eines gigantischen Roll-Back gesellschaftlichen Denkens. In der Arroganz der Schmidt’schen Pose als Flutbezwinger und oberstem Staatsangestellten drückte sich die gesamte Verachtung für diejenigen aus, die diesen Staat gerechter machen wollten. In Deutschland begann der neue Konservatismus nicht mit Kohl, sondern bereits mit Schmidt.“

„Wer bestimmt das Meinungsbild in Deutschland? Man nehme eine ganz normale Tageszeitung und notiere hinter jeder Person, über die ausführlich geschrieben wird,das vermutliche Jahreseinkommen eben dieser Person. Auf den Politik-Seiten liegen die Gehaltssummen eher im 6-stelligen Bereich, auf den Sportseiten schnell einmal im einstelligen und auf den Wirtschaftsseiten nicht selten im zweistelligen Millionenbereich.“

„Und wenn ich gerne soziale fair und ökologische sauber hergestellte Ware kaufen möchte, mir dies aber einfach nicht leisten kann oder will und dann doch wieder von Großkonzernen kaufen muss, die ihre Kosten externalisieren, dann ist das System falsch.“

„Ist der Kapitalismus am Ende? Wir haben hinter den Titel dieses Buch eine offene Antwort gesetzt: „mit Kapitalismus oder ohne“. In den letzten 200 Jahren hat der Kapitalismus erstaunliche Wandlungen durchlebt, nie wurden dabei allerdings die Eigentumsfrage und das Prinzip des unendlichen Wachstums aufgegeben. Noch ist unklar, welche Veränderungen wir nun angesichts der evidenten Zweifel an der Wachstumslogik und den Exzessen der privaten Eigentumsakkumulation erleben werden. Was immer auch kommt, es wird das Ergebnis der Auseinandersetzungen sein, die unvermeidlich sind.“

„Max Weber hat den Kapitalismus als „schicksalsvollste Macht unseres modernen Lebens“ bezeichnet. Der vollkommen entgrenzte Markt hat zu einer Ökonomisierung aller Lebensbereiche geführt und wir haben uns daran gewöhnt, Begriffe wie „Humankapital“ oder „Humanvermögen“ in den Nachrichtenmeldungen zu hören.“

„Der soziale Prozess von Zivilisation lässt eine weitere Aussetzung der Suche nach einer gerechten Gesellschaft nicht zu.“

...über die Corona-Pandemie

„Inmitten der epidemischen Ängste saßen Millionen von Menschen in ihren Wohnungen und begannen darüber nachzudenken, warum sie eigentlich den Großteil des Tages mit hellem Licht in Arbeitsstätten verbringen, um das Geld dafür zu verdienen, sich die Wohnung zu leisten, in der die Familie erst abends erschöpft von Betrieb und Schule die knappe gemeinsame Zeit zur Erholung für die Wiederholung am kommenden Tag verbringt. Eigentlich kein Wunder, dass die heuchlerischen Zuschreibungen des Heldenstatus an unterbezahlte Krankenschwestern und Aushilfskräften in Discounter-Geschäften dazu dienen sollten, diese nicht auf dumme Frage kommen zu lassen.“

„Die politische Triage, die in der Corona-Pandemie zu Tage getreten ist, macht deutlich, wie leer die Zukunftsregister der Gesellschaft sind. Wieder gibt es keine Zukunftsbilder und keinen Diskurs.“

...über eigene Erfahrungen

„Ich bin keine Millionärin. Aber wenn ich die Statistiken zur Reichtumsverteilung in Deutschland lese, gehöre ich zu den oberen 10 Prozent. Als Familie haben wir jährlich etwas mehr als die Hälfte von Olaf Scholz‘ Gehalt zur Verfügung, der sich in einem Interview ja selbst nicht zur oberen Mittelschicht zählen wollte; was ich absolut irre fand.“

„Ich lernte den Kapitalismus aus größter Nähe kennen. Er ist verführerisch und gefahrvoll, viele seiner Protagonisten sind abstoßend. Seine zwei Gesichter begleiten uns alle.“

„Auf die Frage meiner Kinder, wie ich das habe machen können, diesen Spagat zwischen der profitablen Arbeit mitten im System und dem Denken dagegen, habe ich nie eine gute Antwort gefunden.“

„In meiner beruflichen Laufbahn habe ich den größten Verlust von Anstand in den Kreisen der ‚ehrbaren‘ Kaufleute erlebt.“

„Die feine Gesellschaft ist alles andere als fein.“